Mittwoch, 21. November 2012

Wie viel kannst Du vertrauen?

Mit dem Vertrauen ist das so eine Sache. Bis zu einem gewissen Punkt sind wir großzügig mit unserem Vertrauen – doch dann ist es plötzlich sehr schnell mit dem Spaß vorbei. Wo hört unser Vertrauen auf? Und warum?

Wir können so lange leicht vertrauen, so lange wir nicht wirklich etwas zu verlieren haben. Oder, so lange wir die Kontrolle über etwas oder jemanden haben. Wenn ich zum Beispiel nichts wirklich Wertvolles in meiner Tasche habe, kann ich sie ruhig während dem Sport unbeaufsichtigt in der Ecke stehen lassen. Anders sieht das aus, wenn ich gerade bei der Bank war und ein paar hundert Euro in der Tasche sind. Dann werde ich das gute Stück lieber keine Sekunde aus den Augen lassen oder besser noch, es direkt neben mich legen. Aber warum? An der Gefahr, dass die Tasche geklaut wird, hat sich objektiv gesehen rein gar nichts verändert. Die Wahrscheinlichkeit ist genau die gleiche. Aber mein Vertrauen, die Tasche einfach liegen zu lassen, ist mit einem Mal schwindend gering. Einfach nur, weil sie wertvoller geworden ist und somit der Verlust schmerzlicher wäre.
Je mehr wir zu verlieren haben, desto mehr Kontrolle wollen wir haben. Hinter unserem Kontrollbedürfnis steckt das Gefühl Angst. Angst vor Ungewissheit. Angst vor Verlust. Angst davor, dass uns nahe stehende Menschen „ihr Ding“ machen und uns dabei nicht brauchen.

Jetzt könnte man meinen „Ja klar, jedes Vertrauen hat seine Grenzen und über bestimmte Dinge möchte ich die Kontrolle haben – wo ist das Problem?“
Das Problem ist, dass mangelndes Vertrauen Nähe, Wachstum, Unabhängigkeit verhindert und uns außerdem in dauerhafte latente Alarmbereitschaft versetzt.

Angenommen Dein Freund hat ein neues Hobby für sich entdeckt, in dem er total aufgeht. Leider braucht er Dich nicht dazu. Er lernt neue Leute kennen, taucht in eine Dir völlig fremde Welt ab und „entgleitet“ Dir. Und das schlimmste daran: er hat einen riesen Spaß dabei und scheint Dich gar nicht zu vermissen! Das darf doch nicht sein!!! Etwas in Dir rebelliert. Alle möglichen Ängste kommen auf: er liebt mich nicht mehr, ich bin nicht gut genug für sein neues Hobby, bestimmt flirtet er dort mit anderen Frauen, womöglich entwickelt er sich in eine Richtung, die gegensätzlich zu meiner ist und wir verlieren die Gemeinsamkeiten usw..
Also tust Du (unbewusst) alles, um ihm die neue Leidenschaft madig zu machen, ihn an Dich zu binden. Du lässt Dir alle möglichen Gründe einfallen, warum er das doch nicht machen kann. Zu teuer, zu gefährlich, zu viel für ihn, wir haben da doch schon andere Pläne, zu diesem Zeitpunkt muss unbedingt dieses und jenes gemacht werden etc..
Aus Dir spricht die Angst. Du klammerst, machst Vorwürfe, gönnst ihm sein Vergnügen nicht. Die Stimmung wir zunehmend gereizter und nicht selten zum Dauer-Streitthema.

Was wäre die Alternative? Zum Beispiel voll ins Vertrauen zu gehen, dass die neue Entwicklung zum höchsten Wohle aller Beteiligten ist. Wie wäre es, wenn Dein Freund richtig aufblüht in seinem neuen Hobby, ganz neue Fähigkeiten und Talente in sich entdeckt? Er dadurch wächst, selbstbewusster wird, zufriedener ist, besser gelaunt, kreativer – und das alles in Eure Beziehung einbringt? Du hast auf einmal einen Partner, der vor Lebensfreude und Begeisterung nur so sprüht? Kannst Du das ertragen? Kannst Du Dich sogar mit ihm freuen? Kannst Du Dich ermutigen lassen, für Dich selbst auch so eine Leidenschaft zu finden?
Und kannst Du sehen, dass Du bislang vielleicht zu viel Aufmerksamkeit auf die Zweisamkeit gelegt und dadurch Deine eigenen Interessen und Bedürfnisse brach liegen hast lassen? Wie wäre es, wenn Du die neu gewonnene Zeit für Dich nutzt? Zum Beispiel lange vernachlässigte Freunde wieder triffst, Deine verstaubten Näh- oder Stricksachen wieder raus kramst, Dich auf die Suche nach Deiner eigenen Vision machst?
Vielleicht genießt Du auf einmal Deinen neuen Freiraum und weisst andererseits Eure gemeinsame Zeit viel mehr zu schätzen? Vielleicht seid Ihr beide viel entspannter im Ungang miteinander, weil Ihr mehr Raum für Eure persönliche Entfaltung habt? Vielleicht habt Ihr Euch viel mehr zu sagen, weil so aufregende Sachen passieren?

Vertrauen ermöglicht unglaubliche Dinge. Du musst es nur zulassen. Damit das passieren kann, darfst Du Dich nicht von Deiner Angst kontrollieren lassen. Du musst erkennen, dass Angst einfach nur Angst ist und Dich nicht beherrscht. Du besitzt dieses Gefühl, nicht andersrum. Wenn Du Angst hast, beobachte Dich selbst dabei. So nach dem Motto: „Ah, ich hab Angst. Ok.“ Nicht mehr und nicht weniger. Damit schaffst Du eine Lücke zwischen Dir und dem Gefühl. Diese Lücke kannst Du nutzen, um Dich zu entscheiden – lässt Du die Angst gewinnen oder wählst Du Vertrauen?

Kannst Du einer anderen Person vertrauen, dass sie es genau richtig macht, auch wenn Du es ganz anders machen würdest?
Kannst Du Deiner Intuition vertrauen, auch wenn es keine rationale Begründung dafür gibt?
Kannst Du Deinem Partner vertrauen, auch wenn die Gefahr besteht, verletzt zu werden?
Kannst Du darauf vertrauen, dass alles zur rechten Zeit kommt, auch wenn Dein Verstand lautstark nach mehr Sicherheit und Kontrolle schreit?

Zu vertrauen ist eine Entscheidung. Entscheide Dich jetzt. Und lass Dich überraschen von all den Geschenken, die diese Entscheidung Dir bringt. Vertraue Dir.

Alles Liebe,
Carolin

1 Kommentar:

  1. Hallo Carolin, vielen Dank für diesen bewegenden Blog.. Ich bemerke, daß ich selbt mir nicht wirklich vertraue! Wie soll ich dann meinem Partner, meinen Kindern, meinen Geschwistern und auch meinen Nachbarn trauen?.....ich werde mir deine Anregung zu Herzen nehmen ! Liebe Grüße Andrea

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